Ulrich Brauchle gibt dem Schönen einen Stellenwert

 
von Petra Rapp-Neumann
veröffentlicht am 09.07.2021 auf schwäbische.de

Der Ellwanger Künstler Ulrich Brauchle ist vielseitig. Bewunderte man eben noch virtuose Zeichnungen im Atelier Knoedler, so erweist er sich mit der Schau „Farbräume“ im Palais Adelmann als Maler mit allen Sinnen und Meister des großen wie des kleinen Formats.

Das großformatige Ölbild „All Over“ von 2016 dominiert das Foyer. Nicht minder souverän behaupten sich 40 kleinformatige, im Rhythmus der Natur atmende Bildschöpfungen als Auswahl von knapp 100 Arbeiten, die zwischen April und November 2020 im Freien entstanden sind. Was Brauchle gesehen, gefühlt, erlebt hat, bündelt er zu opulent farbigen oder gletscherkühlen Kompositionen, zu „optischen Gedichten“, wie er selbst es nennt. Man mag ihn einen Maler des Informel, des abstrakten Expressionismus nennen. Doch bei aller Spontaneität, die ihm Lebendigkeit bedeutet, ist Brauchle ein reflektierender Künstler, der zwischen Figuration und Abstraktion zu einer eigenständigen Formensprache gefunden hat. Die Stadt richtet ihm die Ausstellung zum 50. Geburtstag aus.

Fast täglich hat Ulrich Brauchle im Coronajahr 2020 draußen im Freien gemalt: „Für mich war es ein sehr intensives Jahr“, so der Künstler. Unterhalb des Schlosses, wo er sein Atelier hat, und maximal 40 Meter von diesem entfernt, hat er inmitten der Streuobstwiesen unter windschiefen Apfelbäumen gesessen und im dunstigen Schleier hochsommerlicher Mittagssonne ebenso gemalt wie an kühlen, erstes winterliches Grau verheißenden Oktobernachmittagen. Atmosphärische Dichte und sensibilisierende Schönheit fesseln den Blick. Zieht eine Landschaft durch ihre impressionistisch verträumte Zartheit in den Bann, so fasziniert eine andere durch spannungsreichen Schwung grafischer Konturen und schwelgt eine dritte in pastos aufgetragenem Maigrün. Die Meisterschaft des Malers liegt im Ausgeführten wie im Angedeuteten. Der Schönenberg erscheint am Bildrand wie hingetupft, der Schlossturm ist bestenfalls zu erahnen.

Denn es geht Ulrich Brauchle nicht um Abbild oder Fassade, sondern um Durchdringung. Seine künstlerischen Souvenirs eines schwierigen Jahres sind Atmosphäre, Duft, Farbe, Lebensfreude: „Das Schöne muss wieder einen Stellenwert bekommen“, sagt er. Brauchles Bildpoesie entführt uns in einen Garten Eden, aus dem wir nicht vertrieben werden, wenn wir es nicht selbst tun. Seine „Farbräume“ zeigen uns die Welt neu im Netzwerk von Fantasie und Verstand, von Spontaneität und Disziplin in emotionalen Gesten, die zu gelöster, meditativer Ruhe führen. Der oberflächliche Blick stößt schnell an seine Grenzen. Es braucht die vertiefende Betrachtung, um Ulrich Brauchles Fenster zur Natur aufzustoßen und die sich öffnende Weite zu genießen.



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